Paris – Ist das Mode oder kann das weg? Der sonst auf Kunst gemünzte Spruch trifft bei Demna Gvasalias Entwürfen den Nagel auf den Kopf. Kaum jemand spaltet die Fashion-Szene so wie der aus Georgien stammende Deutsche. Gvasalia hat mit Vetements die Pariser Mode auf den Kopf gestellt.

Im Jahr 2014 gründete der 36-jährige mit sechs weiteren Designern die Marke, deren Namen übersetzt einfach «Kleidungsstücke» bedeutet. Schon die zweite Schau des Labels in einem Sexclub in Paris war legendär.

Seit Oktober 2015 entwirft Gvasalia zudem als Chefdesigner von Balenciaga, einem der traditionsreichsten Modehäuser Frankreichs. Für viele hütet er den Heiligen Gral der Avantgarde, andere sehen in ihm schlicht den Typen, der die Shirts des Paketdienstes DHL nachmachte. Mehr Lachnummer als Couturier.

Und doch ist er genau Letzteres geworden:
Vetements hat es im vergangenen Jahr als eines der ersten Prêt-à-Porter-Labels geschafft, im Rahmen der altehrwürdigen Haute-Couture-Schauen Entwürfe zeigen zu dürfen. Allerdings war dies eine Premiere der besonderen Art. Gvasalia kooperierte dabei mit 18 spezialisierten Modemarken, deren Klassiker er umarbeitete: Regenmäntel von Mackintosh etwa oder Jogginganzüge aus Samt von Juicy Couture. Was man sich unter ureigener Kreation vorstellt, sieht anders aus.

«Für Vetements entwerfen wir Kleidung, die die Leute auch wirklich kaufen und anziehen können», sagte der Designer im vergangenen Jahr in einem Interview mit dem «Zeit-Magazin».

Radikal normal – so könnte man diese Mode vielleicht nennen. Dazu gehören Stücke wie Trekking-Hosen oder übergroße Hoodies mit trashigen Aufdrucken. Viele Inspirationen stammen aus der Clubber-Kultur. Vetements arbeitet aber auch mit anderen Stereotypen.

Schlagzeilen machten die originalgetreuen DHL-Shirts der Marke für 245 Euro oder ein Regenmantel, wie ihn die deutsche Polizei trägt. Kritiker mokieren sich bis heute über die hohen Preise für banale Versatzstücke der Alltagskultur.

Für Balenciaga entwarf Gvasalia in der vergangenen Saison einen rund 2000 Euro teuren Shopper als Luxusvariante einer Ikea-Tasche. Eigentlich Inbegriff der Hässlichkeit erschien das Teil plötzlich cool. Genauso wie seltsame Strumpfstiefel in grellen Farben, die vor kurzem in zahlreichen Modestrecken von Hochglanzmagazinen zu sehen waren.

Was Gvasalia anfasst, scheint Kult zu werden. Die noch rollende Welle zu Oversize-Kleidung wurde maßgeblich von Vetements angestoßen. Auch der Hype um geblümte Rüschenkleider geht auf das Trend-Label zurück. Und doch wirkt Gvasalia in Interviews nicht abgehoben wie andere Kultdesigner, sondern ziemlich normal und bodenständig. Er schwärmt von Partys in Berlin genauso wie von deutschen Weihnachtsmärkten.

Geboren wurde er 1981 im westlichen Teil von Georgien. Als dort der Bürgerkrieg ausbrach, zog die Familie in die Hauptstadt Tiflis um, dann in die Ukraine und später nach Deutschland. Gvasalia studierte Modedesign in Antwerpen und arbeitete in Paris für Maison Martin Margiela sowie Louis Vuitton. Er hat eigentlich den klassischen Karriereweg eines Modedesigners absolviert und sieht sich selbst nicht als Rebell. Eher als Außenseiter, der Dinge infrage stellt.

Die Sicht auf Mode hat er dennoch radikal verändert. In seiner Welt hat diese nichts mehr mit schönem Schein zu tun. Stattdessen mit einer auf die Spitze getriebenen Alltäglichkeit. Und das wird wohl noch weitergehen. Gvasalia ist kürzlich aus dem glamourösen Paris in das ruhige Zürich gezogen und will noch funktionalere Kleidung entwerfen als bislang. Vom Konzept einer Laufstegschau hat sich Vetements inzwischen auch verabschiedet. Man kann nur hoffen, dass diese Marke die Mode nicht ganz und gar abschafft.

Fotocredits: Matt Crossick,Ian Langsdon,Ian Langsdon
(dpa)

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