Amberg – Es ist eine dieser Kuriositäten aus dem Netz: Begeistert verbreiten Nutzer ein Sprachphänomen, das auf den ersten Blick keinen Sinn ergibt.

«Vong … her» hat einen Hype im Internet ausgelöst. Nun befassen sich Wissenschaftler höchst professionell mit dem Stilmittel. Sogar der Duden ist angefixt, und mittlerweile hat die Neuschöpfung es auf XXL-Plakatwände geschafft.

Folgt man den Spuren von «
vong», gelangt man wahlweise zum Rapper Money Boy. Dem wird der Trend zugeschrieben, die Artikel «ein» und «eine» durch die Ziffer 1 zu ersetzen («Was für 1 geile Idee!»). Oder man stößt auf die Facebook-Seite «
Nachdenkliche Sprüche mit Bilder». Hier werden Fotos veröffentlicht mit Phrasen, die voller Grammatik- und Rechtschreibfehler sind. Immer wieder dabei: die Konstruktion «vong … her». Fachleute sprechen von einer Zirkumposition. Ein Bezugswort wird dabei um eine an sich überflüssige Information ergänzt. In Reinform etwa: «Das Wetter ist schön vong Sonne her». 

Hinter der Seite steckt ein 33-jähriger Großhandelskaufmann aus Amberg in der Oberpfalz, der sich als Kunstfigur
Willy Nachdenklich inszeniert. Er habe eines Tages krank im Bett gelegen und im Internet gesurft, erzählt er, als er auf die – ganz ernsthaft – geteilten und gelikten Fotos mit sentimentalen Sprüchen stieß, die oft vor Fehlern nur so strotzen. «Das wollte ich verballhornen.» Also bastelte er Bild-Text-Kombos und tippte absichtlich Fehler rein. «I bims» als falsch geschriebene Form von «Ich bin’s» ist eine weitere Variation.

Wie so oft bei Internetphänomenen eher unerklärlich, wurde aus dem Spaß ein Trend. Die Klickzahlen stiegen. Die Seite gefällt heute rund 350 000 Personen. «Das sollte eigentlich ein Gag sein und bekam irgendwann eine Eigendynamik», sagt Willy Nachdenklich. Er hält Lesungen in der Kunstsprache und will im Herbst ein Buch rausbringen.

Linguisten wie Konstanze Marx vom Institut für Deutsche Sprache sind begeistert: «Es ist toll, wenn Laien Sprachkritik üben», sagt die Professorin. «Die regelmäßigen Fehler sind im Netz erkannt worden und werden auf die Schippe genommen.» Und das wiederum geschehe nach eigenen Gesetzen wie dem Austausch von N durch M, der Ziffer 1 oder eben der Verbindung aus «vong» und «her».

«Sprachspielerei ist etwas, das kreativ ist und nur funktioniert, weil die eigentlichen Regeln gefestigt sind», sagt Marx. Daher sieht sie auch keine Gefahr, dass sich die falsche Grammatik und Rechtschreibung durchsetzen könnten. «Wer sich mit korrekter Schreibe auskennt, merkt, dass das übertrieben und Absicht ist.» Ein Fehler, den manche machten: Sie verwechselten Jugendsprache mit Internetsprache.

Die Langenscheidt-Redaktion, die das Jugendwort des Jahres kürt, gibt «vong» 2017 in die Online-Abstimmung. «Selten war ein Trend der Jugendsprache so omnipräsent wie dieser», sagt Verena Vogt, für die Wortauswahl zuständig. Der Trend setze sich immer häufiger in der gesprochenen Sprache durch. Wann die «Luft raus» sein werde, sei schwer abschätzen. «Da es aber sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene eine Möglichkeit ist, bewusst durch falsche Nutzung der deutschen Sprache zu provozieren, könnte es gewiss ein langanhaltender Trend werden.»

Sprachforscherin Marx betont aber: «’Vong‘ kommt nicht von Jugendlichen, das haben Erwachsene aufgegriffen.» Daher tauge es nicht als Werbemaßnahme für eine junge Zielgruppe. Die Sparkasse und der Mobilfunkanbieter Vodafone ernteten für derartige Kampagnen viel Kritik. So hatte Vodafone jüngst zwei Wochen lang in 15 Städten – laut einer Sprecherin extra im Umkreis von Schulen und Unis – großflächige Plakate kleben lassen mit der Aufschrift: «DER MONENT WENN DEIN DATEMVOLUMEN VONG VORMONAT HER NOCH DA IST.»

Manche User erklärten die «Vong»-Nutzung spätestens ab diesem Zeitpunkt für out. Wissenschaftlerin Marx verweist zudem auf den Linguisten Alexander Lasch, der erst kürzlich festhielt, im Web 2.0 werde «die Mode von gestern schon wieder durchgereicht».

Doch mitten im Hype war selbst der Duden aufgesprungen und hatte ein Bild gepostet mit dem Spruch: «Man muss immer auf korrekte Rechtschreibung 8ten. Vong Grammatik her.» Eine Sprecherin erinnert sich: «Die Reaktion darauf war überwältigend, sowohl hinsichtlich der Anzahl der Antworten wie auch hinsichtlich ihrer Art – die Begeisterung war groß.» Die Posts hätten deutlich machen sollen, «dass wir die Entwicklung der Sprache und den kreativen Umgang mit ihr sehr genau beobachten und dass es auch uns Freude macht, mit Sprache zu spielen und ihr locker-leichtes Wesen herauszustellen».

Der selbst ernannte Erfinder der «Vong»-Sprache, Willy Nachdenklich, fühlte sich geehrt: «Vielleicht steht ‚vong‘ in zwei Jahren ja tatsächlich im Duden.» Für die Aufnahme gelten freilich dieselben Kriterien wie für alle Wortschatz- und Grammatikentwicklungen: Sie müssen über einen längeren Zeitraum und in einer Streuung über verschiedene Textsorten hinweg in der Sprache präsent sein. Ob das gelingt, bleibt also abzuwarten – vong Zeit her.

Fotocredits: Karl-Josef Hildenbrand
(dpa)

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