Lissabon – Arbeiten, wo andere Urlaub machen. Die Vorstellung bewegt tausende Menschen zum Auswandern. Doch statt die neue Heimat an einem Standort zu suchen, sind digitale Nomaden an wechselnden Orten der Welt zu Hause. Für den Job brauchen sie nur einen Laptop und schnelles Internet.

Felicia Hargartens Lebensmittelpunkt war bis vor ein paar Jahren noch Berlin. Seit 2012 sind ihre Standorte in Brasilien, Thailand oder auch mal in Griechenland. Sie und ihr Freund gründeten eine Community für digitale Nomaden, starteten Blogs und Podcasts für Gleichgesinnte. «Wenn du ein Online-Business hast, dann verschwimmt Leben und Arbeiten sowieso», erklärt Hargarten.

«Wie der Tisch aussieht oder welche Bilder an der Wand hängen, ist mir eigentlich egal», erzählt Hargarten von ihren Unterkünften. Wichtig sei die Küche, auch eine Waschmaschine ist Pflicht sowie schnelles Internet. Man dürfe so ein Leben nicht verwechseln mit dem Alltag eines Touristen, betont Hargarten. Sie führt auch in der Ferne ein «ganz normales Leben». Etwa 700 bis 800 Euro geben sie und ihr Partner im Monat für Miete aus. Sollte die Wohnung mal teurer sein, vermieten sie ein Zimmer an einen weiteren
digitalen Nomaden.

«Das Gefühl von zu Hause kann ich überall einstellen», erklärt sie. «Denn es hat nichts mit dem Äußeren zu tun, sondern ist ein Gefühl von innen.» Bedingungen an den Ort gibt es aber. «Es sollte warm sein und die Möglichkeit zum Kitesurfen geben. Das können gern kleine und ruhigere Orte und Inseln sein. Aber möglichst keine Stadt.»

Conni Biesalski (32) lebt an ihrem Lieblingsort auf der Insel Bali. Für sie ist das Zuhause «der Ort, an dem ich mich wohlfühle», erklärt sie. «Das ist nicht anders, wenn man in der Ferne wohnt – bis auf die Tatsache, dass man mehrere Wohnorte mögen kann.»

Sie erfüllte sich früh den Wunsch vom Leben als Tauchlehrerin im Ausland. «Mit Mitte 20 kam ich dann noch einmal nach Berlin für einen Job in einer PR-Agentur zurück», berichtet Biesalski. «Schon nach drei Wochen habe ich gemerkt, dass nine-to-five nichts für mich ist.» Normale durchgetaktete Arbeitszeiten will sie nicht. 2012 änderte sie daher ihr Leben – und wurde digitale Nomadin, sie betreibt einen Blog und verkauft eigene E-Books. Auch sie lebt in privat vermieteten Wohnungen – mal allein, mal in Wohngemeinschaften.

«Ich habe zwar nicht viele persönliche Dinge, dennoch brauche ich meinen Raum», erklärt Biesalski. Sie versucht, nicht viel anzusammeln. «Ich mag es gerne minimalistisch. Das heißt, die Dinge sollten nicht überall herum stehen.» In Deutschland hat sie noch zwei Kisten, ebenso in Kalifornien sowie auf Bali.

«Die jungen Menschen machen die Globalisierung zu ihrem eigenen Lebensentwurf», erklärt Eike Wenzel, Leiter des Instituts für Trend- und Zukunftsforschung in Heidelberg. «Sie werden sich noch weniger als wir über die Nation definieren.» Die
digitalen Nomaden betrachtet er aber noch als Mode-Erscheinung, die im Zusammenhang mit Megatrends wie Digitalisierung, Mobilität und Individualisierung stehen.

«Sich deren Vorteile zunutze zu machen, kann für junge Leute interessant sein», sagt Wenzel. In einer Phase zwischen 20 und 30 Jahren kann man sich noch mal gut eine Auszeit vom Erwachsensein nehmen. Themen wie Selbstverwirklichung, Multioptionalität, Dezentralität und Unabhängigkeit würden dann an oberster Stelle stehen. «Spätestens, wenn die Familienplanung und die Rush-Hour des Lebens beginnen, kommen andere Bedürfnisse auf», meint Wenzel.

Das hat auch Conni beobachtet. «Entweder gehen die Leute nach einer bestimmten Phase wieder zurück, weil der Lifestyle auf Dauer nichts für sie ist, oder sie werden langsamer und sesshaft.»

Für
Bastian Barami gilt das derzeit nicht: Seit 2015 ist der Hotelfachmann in der Welt unterwegs und lebt vom Verkauf von Produkten auf einer Handelsplattform. Barami braucht nicht immer eine Wohnung für sich, da er darin nicht viel Zeit verbringt. Ihm reicht ein Zimmer mit bequemem Bett. Viel wichtiger ist für ihn die Lage: «Ich suche mir Stadtteile, in denen die Nomadendichte hoch und der Weg zu Co-Working-Spaces nicht weit ist», erzählt er. Dort findet er Austausch mit anderen Web-Experten.

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(dpa/tmn)

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