Hannover – Pink ist schon ausverkauft. Auch der letzte Fidget Spinner in Tarnfarben geht soeben über die Ladentheke. Kjell hat ihn ergattert.

Der 15-Jährige aus Hambergen bei Bremen ist auf Klassenfahrt in Hannover und macht mit seinem Freund Michel einen Abstecher in die Spielwarenabteilung eines großen Kaufhauses. Warum er den Handkreisel kauft? «Es ist im Moment angesagt und wenn man im Unterricht sitzt, kann man damit rumspielen», sagt Kjell. Klassenkamerad Michel ergänzt: «Manche Lehrer empfehlen es sogar, dann reden wir wenigstens nicht so viel miteinander.»

Das Fidget-Spinner-Fieber grassiert in Deutschland, seit der Trend vor wenigen Wochen aus den USA herübergeschwappt ist. Es gibt wohl keinen Schulhof, auf dem die handtellergroßen Spielzeuge nicht kreisen. Optisch erinnern sie an eine Kreuzung aus Propeller und Ninja-Wurfstern. Gibt man ihnen einmal einen Schwung, wirbeln die bunten Dinger je nach Qualität des Kugellagers teilweise minutenlang.

Der Wirbel sei derzeit größer als das Produktangebot, räumt Willy Fischel ein. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes des Spielwaren-Einzelhandels geht von einem Umsatz von mindestens einer Million Euro seit März aus. Die meisten Fidget Spinner kosteten zwischen vier und sechs Euro, es gebe aber auch Modelle mit besonderer Ausstattung wie kleinen LED, für die bis zu 30 Euro bezahlt werden müsse.

Im Moment lassen die Händler die kleinen Scheiben sogar per Flugzeug einfliegen, weil die Schiffsladungen so lange brauchen. «Wenn die Schiffe da sind, wird sich in Deutschland noch mehr drehen», prognostiziert Fischel. «Im Vergleich zu Vorgängern wie Tamagotchi, Furby oder Slime entwickelte sich die Nachfrage bei Fidget Spinner in Lichtgeschwindigkeit.»

Im Kaufhaus in Hannover bildet sich eine Schlange. Manuela Dankenbrink sitzt an der Kasse lässt einen neongrünen Spinner aus Plastik und Metall auf der Kuppe ihres Zeigefingers kreisen. «Es soll ja auch bei kaputten Händen helfen», sagt die Verkäuferin. Sie habe vor ein paar Tagen innerhalb von zwei Stunden 50 Stück verkauft.

Alexandra (11) wählt ein Exemplar in Altrosa. «Wenn unsere Lehrer die Fidget Spinners einsammeln, spielen sie selbst damit», berichtet die Gymnasiastin aus Hannover. Ihre Mutter Kerstin Winkel hatte vergeblich versucht, die Anschaffung abzuwenden, denn schon viele ehemaligen Must-haves verstauben im Regal des Kinderzimmer. «Erst waren es die Filly Pferde, dann die Loombänder, da haben wir noch extra Sortierkästen gekauft.»

Auch der Sohn des US-Präsidenten, Barron Trump, spielt offensichtlich mit dem Fidget Spinner. Auf Fotos war zu sehen, wie der Elfjährige am Sonntag beim Aussteigen aus der Air Force One ein rotes Exemplar in der Hand hielt.

Wie die Hersteller versichern, sind Fidget Spinners dazu geeignet, Hyperaktivität und ADHS zu lindern sowie Unruhe vorzubeugen. Sie könnten sogar dabei helfen, sich das Rauchen abzugewöhnen, heißt es auf einer Verpackung. Fidget bedeutet so viel wie zappeln oder herumhampeln.

«Über angebliche therapeutische Zwecke kann ich nur müde lächeln», sagt dazu Hans-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes und vom 1. Juli an auch Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. «Nach meinem Eindruck sind die Fidget Spinners aber noch nicht das Hauptproblem an Schulen», meint der Leiter des Robert-Koch-Gymnasiums im bayerischen Deggendorf. Die Handys der Schüler lösten größere Konflikte aus. «Ich bin durchaus ein Befürworter von analogen Spielen und finde es gut, wenn die Schüler sich in der Pause mit Fingerfertigkeit beschäftigen, statt auf ihr Smartphone zu starren», meint Meidinger.

Im Internet finden sich nicht nur Videos mit Tricks, etwa wie man einen Fidget Spinner auf der Nase balanciert, sondern auch Pflege- und Reparaturhinweise sowie Anleitungen zum Selberbauen. Eine Pfadfindergruppe aus der Wedemark bei Hannover hat sich das Fidget-Spinner-Bauen als Projekt ausgesucht. «Wir haben schon Kugellager bestellt», erzählt die 15-jährige Helen. Zu acht wollen die Jugendlichen in den nächsten Gruppenstunden Handkreisel aus Pappe und Kronkorken basteln, sie dann verkaufen und das Geld spenden.

Fotocredits: Boris Roessler
(dpa)

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