Neu Delhi – Tops, Sonnenbrillen oder Badehosen – angepriesen für je nur ein paar Euro. Billiganbieter für Mode und Sportartikel locken heute in vielen deutschen Städten mit häufig wechselnden Sortimenten.

Kunden verlassen die Läden oft mit großen Tüten. Dabei lässt sich vor dem Internationalen Tag der Umwelt (5. Juni) feststellen: Auch vermeintliche Schnäppchen haben ihren Preis. Sie gehen oftmals auf Kosten der Umwelt – und damit auch von Menschen. Das zeigen Beispiele entlang der Kette vom Hersteller bis nach Hause.

WO DIE MODE HERKOMMT

Einer der weltweit größten Exporteure von Bekleidung und Textilien ist Indien. Dort tragen gleich zwei Städte den Spitznamen «Manchester des Ostens» – nach der früheren Textilhauptstadt in England. Eine davon ist das westindische Ahmedabad. In der Region um die Metropole wird ein großer Teil der auf der Welt gebrauchten Baumwolle angebaut.

Die Industrie hat eine ganze Reihe von Problemen: Weil sich genverändertes Saatgut etabliert hat und jedes Jahr neu gekauft werden muss, häufen viele Baumwollbauern hohe Schulden an, jedes Jahr töten sich Tausende von ihnen. Der Gebrauch von giftigen Pestiziden und von Dünger belastet zudem die Umwelt und die Gesundheit der Menschen.

Auch der hohe Wasserverbrauch beim Baumwollanbau ist ein Problem. Für die Produktion eines Kilos Baumwolle werden in Indien nach Angaben des «Water Footprint Network» 22 500 Liter Wasser verbraucht. Damit könnten demnach mehr als 80 Prozent der Bevölkerung mit 100 Liter Wasser am Tag versorgt werden. Der hohe Verbrauch wiegt umso schwerer, wenn man bedenkt, dass nach einem Bericht des staatlichen Think Tanks Niti Aayog vom vergangenen Jahr fast die Hälfte der 1,3 Milliarden Inder unter Wassermangel leidet.

Ein Lösungsansatz ist der Anbau von Biobaumwolle, der weniger wasserintensiv ist und bei dem keine synthetischen Pestizide zum Einsatz kommen. Indien ist der weltweit größte Produzent von Biobaumwolle, wenngleich sie nur einen kleinen Teil der insgesamt angebauten Baumwolle ausmacht.

Das andere «Manchester des Ostens» ist Kanpur in Nordindien – eine der Städte mit der schlimmsten Luftverschmutzung der Welt. Kanpur ist das Zentrum der indischen Lederindustrie – ebenfalls ein wichtiges Exportgut. Dort stehen rund 400 Gerbereien am Ufer des für Hindus heiligen Flusses Ganges. Gläubige baden darin, um ihre Sünden abzuwaschen, und trinken dann traditionell auch einen Schluck.

Die Gerbereien erzeugen etwa 50 Millionen Liter Abwasser am Tag, wie der Umweltaktivist Rakesh Jaiswal erklärt. Es gebe nur eine Kläranlage. Diese könne lediglich neun Millionen Liter am Tag bewältigen, so dass große Mengen ungeklärter Abwässer in den Fluss gelangten. Jaiswal beschreibt es als «Cocktail tödlicher Chemikalien». Flussabwärts würden 2500 Hektar Land mit den Abwässern bewässert. So gelangten die giftigen Stoffe ins Grundwasser – die einzige Trinkwasserquelle für die örtliche Bevölkerung.

WIE DIE MODE ZU UNS KOMMT

Textilien müssen oft über lange Wege vom Produzenten zum Händler und zum Käufer transportiert werden. «Die Preise, die für Fast Fashion ausgerufen werden, lassen kaum Spielraum, um beim Transport besonders nachhaltig agieren zu können», sagt Markus Muschkiet, Leiter des Centers Textillogistik, das zum Fraunhofer Institut für Logistik und zur Hochschule Niederrhein gehört.

Doch die langen Wege seien nicht das Problem. «Auf das einzelne T-Shirt gesehen ist die Emission vernachlässigbar», so Muschkiet. Die Containerschiffe seien extrem effizient. Bei 16 000 Containern auf einem Schiff, falle ein T-Shirt umwelttechnisch nicht ins Gewicht. Die meisten Emissionen fallen laut Untersuchungen auf den letzten Kilometern an. Fast jedes Kleidungsstück werde innerhalb Europas mit einem Lkw transportiert, sagt Muschkiet. Der Lkw ist am schnellsten, aber auch am schädlichsten für die Umwelt. Laut Umweltbundesamt (UBA) verursacht jede Tonne Ware pro Kilometer Lkw-Transport 103 Gramm Treibhausgase. Bei der Bahn wären es 19 Gramm, bei Binnenschiffen 32.

Logistik-Professor Muschkiet hält neben dem eigentlichen Transport auch Lagerentscheidungen für ausschlaggebend: Wie viele Kleidungstücke ordere ich als Händler? Wie sehen die Lagerhäuser aus? Große Lagerhäuser benötigen mehr Energie und Land. Nicht verkaufte Stücke belasten die Umwelt unnötig. Hier lässt sich laut Muschkiet relativ viel CO2 einsparen. Er rät beispielsweise zu kombinierten Lagern, aus denen Händler sowohl den stationären Handel als auch den Online-Handel bedienen können.

Beim Onlinehandel gehören übermäßige Verpackung und Retouren zu den Umweltproblemen. Um Retouren zu reduzieren, bieten einige Unternehmen inzwischen virtuelle Anproben an oder Zusatzinformationen zur Passform. Dennoch geht bisher jedes zweite Kleidungspaket zurück, wie die Forschungsgruppe Retouren-Management der Universität Bamberg ermittelt hat. Über 70 Prozent aller Retouren seien Moderetouren. Die Kleidungs-Rücksendungen belasteten das Klima so stark wie 166 000 Tonnen CO2. Der Anteil am Gesamtausstoß in Deutschland sei aber trotzdem gering.

WIE WIR MIT KLEIDUNG UMGEHEN

Trotz des Billig-Trends sind die Ausgaben der deutschen Privathaushalte für Bekleidung und Schuhe in den vergangenen Jahren nicht gesunken: 2017 lagen sie laut Statistischem Bundesamt im Schnitt bei 110 Euro im Monat, 16 Euro pro Monat mehr als zehn Jahre zuvor. Greenpeace fasste 2017 in einem Report über «Fast Fashion» zusammen: Obwohl die Schränke voll seien mit nie getragener Kleidung, kaufe jeder Deutsche pro Jahr etwa 60 neue Teile. Die Tragezeit sei aber nur noch halb so lang wie vor 15 Jahren. Second-Hand-Läden, Kleidung mieten statt kaufen und Garderoben aus zeitlosen Stücken – darauf setzen zwar manche bewusste Konsumenten, wie man etwa auf Instagram verfolgen kann. Von einem Massentrend kann aber nicht die Rede sein.

Dabei ergeben sich selbst beim Tragen und Benutzen von Klamotten manchmal noch Umweltprobleme. In Outdoor-Ausrüstung etwa werden oft sogenannte per- und polyfluorierte Chemikalien, kurz PFC, eingesetzt, weil diese wasser- und schmutzabweisenden Eigenschaften haben. Manche dieser Stoffe sind wasserlöslich oder flüchtig und können etwa beim Waschen einer Regenjacke in den Wasserkreislauf gelangen.

In der Natur können die Substanzen laut UBA aber «kaum bis gar nicht» abgebaut werden. Sie seien in Gewässern, Tieren, Boden und Luft ebenso nachgewiesen worden wie in Muttermilch. Manche der Substanzen gelten nach UBA-Angaben als krebserregend oder können die Fruchtbarkeit schädigen. Seit das Problem vor einigen Jahren bekannt wurde, hat sich in der Branche etwas getan. «Fast alle größeren Outdoor-Marken haben inzwischen PFC-freie Produkte im Sortiment. Aber es ist noch viel zu wenig», sagte Manfred Santen, Chemiker von Greenpeace. Man müsse den Herstellern aber auch etwas Zeit geben, die Forderungen umzusetzen.

Auch bei einem weiteren Problem dauert die Suche nach Lösungen an: Es geht um kleinste Fasern aus Fleecepullis und anderen synthetischen Materialien, die sich beim Waschen lösen und in den Wasserkreislauf oder mit dem Klärschlamm auf Felder gelangen können. Sie reichern sich in der Umwelt an und werden auch von Tieren aufgenommen. «Diese Fasern sind vor allem dadurch problematisch, dass man sie sehr häufig in der Umwelt findet», sagte Leandra Hamann vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen.

Einer Studie des Instituts von 2018 zufolge fallen durch Faserabrieb beim Waschen in Deutschland hochgerechnet 77 Gramm Mikroplastik pro Person und Jahr an – das entspricht etwa der Menge von 25 Stück Würfelzucker. Waschen liegt damit den Autoren zufolge auf Platz 10 der größten Mikroplastikquellen im Land. «Wir haben so große Mikroplastik-Emissionen, dass wir einen Großteil reduzieren müssen. Da ist jede Quelle relevant», sagte Hamann. Sie forscht an Mikroplastik-Filtern für Waschmaschinen: Ziel ist es, Fasern möglichst selektiv herauszufiltern, um schnelles Verstopfen der Filter durch Haare, Steinchen oder Sand zu verhindern.

Bisher müssen Verbraucher mit Bewusstsein für das Problem in der Regel selbst aktiv werden: Es gibt spezielle Waschbeutel zu kaufen («Guppyfriend»), in die man Synthetiktextilien vor dem Waschen einpackt. Oder eine kleine Kugel («Cora Ball»), die man mit in die Trommel geben kann, um Fasern aufzunehmen. «Es wird definitiv in nächster Zeit weitere Ansätze geben, denn auch der Industrie ist bewusst, dass das Problem angegangen werden muss», sagte Hamann. Sie selbst versucht, möglichst wenige synthetische Materialien zu verwenden – bei Kleidung ebenso wie bei Heimtextilien, wie sie sagt.

Fotocredits: Carsten Rehder
(dpa)

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